von Prof. Dr. Robert Suckale, Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der TU Berlin

(gehalten anlässlich des Festakts am 19. Februar 2005 in der Aula der Universität Bamberg)

Genau besehen befinde ich mich in einer verzwickten Lage: eine ,laudatio‘ ist eine Lobrede. Nach den Regeln der Rhetorik handelt es sich um eine Redegattung, die im hohen Stil zu halten ist, dem stilus altus et grandiloquus, mit feierlichen, pathetischen Redewendungen, langen, mit vielen Redefiguren konstruierten Sätzen, gespickt mit Zitaten nach den Klassikern und den Heiligen Schriften, vergleichbar einer reich dekorierten barocken Fassade, mit einer Redezeit nicht unter einer Stunde. Aber obwohl wir – lieber Achim – beide gleichermaßen den Barock, seine Rhetorik und seine Prunk- und Schmucklust lieben und für ihn um Verständnis in einer eher ablehnend gestimmten Gesellschaft werben, halten wir uns lieber an den einfachen Stil, den stilus humilis, in dem in knapper Form erzählt und erklärt wird.

Um Achim Hubel zu verstehen, muss man weit zurückgehen. Doch werde ich nicht nach Art der Freudianer frühkindliche Traumata und dergleichen aufzuspüren versuchen. Mich beschäftigt eher die Frage nach der Bedeutung des Geburtsdatums. Es leuchtet ein, dass es für ein Kind von tiefgreifender und nachhaltiger Wirkung war, im Zweiten Weltkrieg geboren zu werden, den lange kriegsgefangenen Vater erst spät kennenzulernen und wenig später wieder zu verlieren, und immer neu die Kriegsfolgen zu spüren. Deshalb wurde der kleine Achim nicht in Augsburg geboren, wo er eigentlich das Licht der Welt hätte erblicken sollen, sondern in Sünching. Mit anderen Worten, er ist um das Privileg geprellt worden, ein Schwabe zu sein, statt dessen wurde er Oberpfälzer, eine Region, die eher zu den marginalisierten Landschaften Bayerns gehört. Von München in die Oberpfalz versetzt zu werden, gilt noch heute als eine Art Strafe.

Diese Deklassierung wird gerade in Regensburg als besonders bitter empfunden, weil es im Hohen Mittelalter nicht nur die Hauptstadt des Herzogtums Bayern war, sondern die älteste, ehrwürdigste, die wirtschaftlich potenteste und deshalb auch größte Stadt im Donauraum; München ist dagegen ein spät gekommener Parvenu, zudem noch von einem Sachsen herzog gegründet. Um dies zu verschleiern und so zu tun, als sei man eine alte benediktinische Gründung, hat man den Mönch im Wappen. Verglichen mit dem Regensburger Dom ist die Münchner Frauenkirche eine überdimensionierte, z.T. grobschlächtige und wenig inspirierte Architektur, die dadurch nicht besser wird, dass jeder Münchner Kardinal meint, sie mit vielen Millionen nach seinem Gusto umbauen zu dürfen. Dass die jeweilige Rundum-Erneuerung obendrein jedes Mal auch noch als denkmalpflegerische Maßnahme angepriesen wird, kann nur den Zorn echter Denkmalfreunde wecken, die bitter zu spüren bekommen, dass andernorts die in München vergeudeten Mittel fehlen.

Es ist bezeichnenderweise immer eines der Anliegen Achim Hubels gewesen, herauszuarbeiten, worin Regensburg zurückgesetzt wurde, wie ungerecht diese Stadt und ihre Kunst in der Kunstgeschichte behandelt wird. Er fühlte und fühlt sich herausgefordert, als Kunsthistoriker Wiedergutmachung zu leisten, so z.B. in seinen Arbeiten über die lange vergessene und fehlgedeutete Ulrichskirche in der Nachbarschaft des Domes.

Doch muss ich noch einmal auf den Geburtsort zurückkommen. In diesem Saal wird kaum einer wissen, was es mit Sünching auf sich hat, noch wo es auf der Landkarte zu finden ist. Doch dank des von Achim Hubel geschriebenen Eintrags im DEHIO-Kunstdenkmäler-Handbuch der Oberpfalz erfahren wir, dass dort ein Schloss aus dem 18. Jahrhundert steht, entworfen von François Cuvilliés, mit Malereien von Matthäus Günther und Desmarées, Schnitzarbeiten von Ignaz Günther und anderen Köstlichkeiten. Achim Hubel ist also von Anfang an in der Nähe großer Kunst aufgewachsen; mir scheint der mariologische Begriff der adumbratio, d.h. der Beschattung Mariens durch den Heiligen Geist, seine Prägung durch Kunst am besten zu beschreiben.

Nun ist die Kunstgeschichte ja eine Interpretationswissenschaft, mit viel Erfahrung im Aufspüren von Bedeutungen und im Erkennen von Subtexten, aber auch im Erfinden von luftigen Überbaukonstruktionen. Bei der Untersuchung Sünchings stößt unser Spürsinn bald auf Adam Friedrich von Seinsheim, dessen Familie dort angesiedelt war und der im Sünchinger Schlösschen eine reich ausgestattete Suite erhielt. Der Bamberger wird natürlich sofort hell wach, denn Adam Friedrich war 1757-1779 Bischof von Bamberg, zwar auch von Würzburg,
doch das ist aus hiesiger Sicht nicht so wichtig. Da zeigen sich also von Anfang an die beiden Pole der Hubelschen Lebensellipse: Regensburg und Bamberg. Diesen Gedanken kann natürlich der Ikonologe sorgfältig weiterspinnen: War da nicht bei Bischof Adam Friedrich eine auffällige Phobie gegenüber dem Kurfürsten von Bayern, also München, wie gegenüber dem König von Preußen, also Berlin…? Und war das nicht einer der Ersten, der „Neues Bauen in alter Umgebung“ einfühlsam und mit glänzenden Resultaten praktiziert hat, wie ein Blick auf die Anbauten von Schloss Seehof klar vor Augen führt, ebenso der Umbau der Bamberger Residenz im frühklassizistischen Stil?

Überhaupt wird man in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen haben, dass Achim Hubel im Sternkreiszeichen der Fische geboren wurde. Dieses Zeichen zeigt zwei in gegensätzliche Richtungen schwimmende Fischwesen. Darf man darin nicht eine Erklärung dafür sehen, warum bei Achim Hubel die Zweiheit bzw. Doppelpoligkeit so wichtig ist, aber auch der Wechsel von einer Richtung zur anderen. Ich überlasse es der gelehrten Festgesellschaft, diese Ideen weiterzuverfolgen und dann demnächst zwischen zwei Buchdeckel zu spannen.

Doch ehe die Auswirkung dieser hintergründig wirkenden Faktoren überhaupt zu verfolgen ist, muss das Geschehen im Vordergrund, d.h. auf der eigentlichen Lebensbühne erzählt und erklärt werden. Es ist also zu berichten, dass Mutter Hubel mit ihren Kindern nach Regensburg umzog, das seine eigentliche Heimat wurde.

Hier bewahrheitet sich, dass oft weniger die geborenen als die gewordenen Bürger einer Stadt ihr die größte Liebe entgegenbringen. Das geht so weit, das man sich Achim Hubel nicht ohne seine Forschungen zu Regensburg und seinen Monumenten, die Architektur- und Kunstgeschichte dieser Stadt aber auch nicht ohne Achim Hubel vorstellen kann. Die Menge seiner Schriften zu Regensburg und seinen Bauten füllen im Bücherregal einen halben Meter.

Wie aber hat Regensburg den Knaben geformt? Wir wollen hier gar nicht erst anfangen aufzutischen, was uns die traditionelle Kunstgeographie aus der braunen Soßenküche der deutschen Stämme und Landschaften als Erklärung anbietet. Ich vereinfache nur wenig, wenn ich sage: Was an Regensburg gewirkt hat, das ist das Mittelalter, das ist vor allem die Gotik! Durch die gotischen Bauten und Kunstwerke, vor allem den Dom, ist Achim Hubel zum Gotiker, neudeutsch: zum gothic freak geworden. Was das bedeutet und was das für Folgen hat, wollen wir nunmehr andeuten. Zugleich aber müssen wir darauf aufmerksam machen, dass bestimmte Eigenarten dieses Wesens erst in fortgeschrittenen Jahren deutlicher hervortreten. Wir können uns also noch auf einiges gefasst machen. Zunächst fällt auf: Gotikfreunde sind Fanatiker, und sie sind unersättlich. Sie riechen ihre Lieblingskunst schon von weitem, wie der menschenfressende Riese in einem der Märchen der Gebrüder Grimm, der die Witterung von versteckten Kindern aufgenommen hat und nun herumschnüffelnd vor sich hinbrummt: „Ich rieche Menschenfleisch!“ Ich wiederhole: Der Gotiker ist fanatisch und er ist süchtig! Also kann man Eltern nur davor warnen, ihre Kinder in die Nähe solcher Leute kommen zu lassen, denn dort droht ihnen, von speziellen Vampiren mit lanzettbogigen Zähnen, krabbenbesetzten Hörnern und fialenartigen Krallen gepackt und gebissen zu werden und daraufhin ebenfalls zu Gotikern zu mutieren. Diese Leute schätzen von der Kunst anderer Zeiten nur das, was irgendwie mit ihrer Gotik zu tun hat, so etwa bestimmte Spielarten des Barock, die Romantik und deren moderne Nachfolgerichtungen. Richtig wohl fühlen sie sich jedoch nur in Kathedralen, Kapellen und Kreuzgängen mit alten Friedhöfen. Gotiker haben eine spezifische Form von Humor, insbesondere eine Freude am Grotesken; sie lieben die Karikatur, und finden großes Ergötzen an Blattmasken und anderen hybriden Mischwesen. Gotiker lieben den Höhenrausch und das durch die bunten Glasfenster getrübte Licht, von dem sie behaupten, es sei verzaubert, weshalb sie noch in die kaputtesten Glasgemälde vernarrt sind. Besonders wohl fühlen sie sich, wenn sie – wie die Meerkatzen auf dem Affenfelsen von Gibraltar – auf und in ihren Kathedralen herumklettern können.

Es wundert nicht, dass diese Leute durch ihren fast ausschließlichen Umgang mit Sakralkunst eine besondere, oft eigenwillige Affinität zur Religion haben. Bei Achim Hubel ist aktenkundig, dass er das bischöfliche Knabenkonvikt in Stift Obermünster in Regensburg besucht hat, also eine Ziehschule für den Priesternachwuchs. Nach dem Abitur zog er sogar ins Theologische Seminar um und machte dort sein „Philosophicum“, eine Art Zwischenprüfung. Als man ihm aber verwehrte, Kunstgeschichte als Zweitfach zu studieren, verabschiedete er sich aus der Theologenlaufbahn, und ging seine eigenen Wege.

An der Universität Regensburg konnte man damals noch nicht richtig studieren, zumindest nicht im Fach Kunstgeschichte, deshalb schrieb Achim sich an der Universität in München ein, und zwar bei Norbert Lieb am Lehrstuhl für bayerische Kunstgeschichte. Doch hielt er die Verbindung nach Regensburg aufrecht, wo er studentische Hilfskraft bei Franz Winzinger war, der den Priesterzöglingen kunsthistorische Grundkenntnisse vermittelte. Doch hat Achim letztlich seine Kenntnisse und die Methodik des Faches, beflügelt von seiner Leidenschaft für die Kunst, mehr oder weniger autodidaktisch erworben; er hat dabei versucht, das überkommene methodische Instrumentarium kritisch zu sichten und das Spektrum der Fragestellungen und Methoden zu erweitern bzw. auszubauen.

In München habe ich ihn damals kennengelernt; wir blieben uns aber zunächst noch fremd: Doch ein altes chinesisches Sprichwort sagt: ein Kind ist seiner Zeit enger verwandt als seinem Vater. Die Generation der im oder bald nach dem Zweiten Weltkrieg Geborenen wird im allgemeinen als Achtundsechziger bezeichnet. Als solcher entpuppte sich letztlich auch der Konviktszögling Achim Hubel. Die Autoritäten, die wir kennenlernten, konnten uns nicht sehr imponieren. Was sie uns als Lehren oder gar als Ewige Wahrheiten verkündeten, fand kaum unsere Zustimmung. Die Generation unserer Eltern geriet unter Generalverdacht. Wir wollten es anders machen und anders haben.

Es war jedoch weniger die beiden gemeinsame Ablehnung von vorgefundenen Zuständen, die zu einer Annäherung führte, sondern die Liebe zu denselben Dingen; während ich mich mit französischen Madonnenstatuen des 13. und 14. Jahrhunderts herumtrieb, war Achim in heftiger Liebe zu den Statuen des Regensburger Erminoldmeisters aus dem späten 13. Jahrhundert entbrannt; überhaupt darf das 13. Jh. als Lieblingsjahrhundert der echten Gotiker gelten.

Innerhalb des Faches Kunstgeschichte sind die Plastikfreunde eine eher seltene Spezies mit bestimmten Eigenheiten, wobei die Gotiker wiederum eine Sonderrolle spielen: sie lieben zwar das Sinnliche, Haptische der Skulptur. Da die Werke dieser Epoche kaum Körper zeigen, dafür aber umso faltenreichere Gewänder tragen, kümmert sich der Gotiker mit Leidenschaft um Faltenprofile, Gewandfassaden und ornamentale Faltenkaskaden und nervt mit seiner ,Faltologie‘ immer etwas die anderen, ärgert sich aber auch über sie, vor allem weil sie nie gelernt haben, diese zugleich abstrakten wie naturnahen Formen angemessen zu analysieren. Andererseits weiß der gothic freak, dass gotische Skulpturen fast immer im Zusammenhang stehen, auf Konsolen und unter Baldachinen, verschieden eingebettet in die Bauten, konzipiert für bestimmte Räume und einen genau berechneten Lichteinfall, also eine andere Art der Wahrnehmung als wir gewohnt sind.

Kurzum: Plastik will anders und intensiver erfahren und erforscht werden als Malerei und die anderen Künste. Genau das hat Achim Hubel schon in seiner Erstlingsarbeit, der 1974 in den Beiträgen zur Geschichte des Bistums Regensburg gedruckten Dissertation über den Erminoldmeister beherzt, während ich durch den Umgang mit so vielen Schönen Madonnen zur Oberflächlichkeit verführt wurde. Ich möchte an seiner Arbeit vier Punkte besonders lobend hervorheben:

  • die unerbittliche Genauigkeit, mit der in der monografischen Behandlung der einzelnen Figuren auch den geringsten Befunden nachgegangen wurde, so dass sich die Arbeit streckenweise wie eine Vorwegnahme des methodischen Vorgehens der Bauforschung liest, jedoch ergänzt um die Frage nach den Auftraggebern und ihren Intentionen, nach der Ikonographie und Ikonologie;
  • die methodische Bewusstheit und Strenge, mit der die Stilkritik eingesetzt wurde, und das mit großem, ja definitivem Erfolg; meines Wissens hat sich niemand bisher getraut, an seinen Zu- und Abschreibungen zu rütteln;
  • das frühe Interesse an Fragen der Funktion und Aufstellung und d.h. auch an der Wahrnehmung der Figuren, neumodisch Rezeptionsästhetik genannt;
  • das Interesse an Fragen der farbigen Fassung, ihrer Rekonstruktion bzw. des denkmalpflegerischen und musealen Umgangs damit.

In dieser Arbeit ist somit schon die Ausrichtung des späteren Forschens und Wirkens von Achim Hubel angedeutet. Als einen späten Lohn seiner Mühen darf man es bezeichnen, dass es ihm Jahrzehnte nach Erscheinen der Doktorarbeit aufgrund der Kombination der Ergebnisse seiner intensiven Forschungen am Regensburger Domes und in den zugehörigen Akten gelang, diesen Bildhauer mit Notnamen überzeugend als den Regensburger Dombaumeister Ludwig zu identifizieren, der zwischen 1283 und 1306 aktenkundig ist, so dass wir in ihm einen der ersten Bildhauer-Architekten sehen dürfen, ein Typus, der vor allem in Italien und Deutschland verbreitet war, ein Vorläufer Peter Parlers und Madern Gertheners, oder wenn Sie wollen: Michelangelos und Berninis.

Nach dem Studium absolvierte Achim Hubel ein Volontariat am Kölner Schnütgen-Museum und am Bayerischen Nationalmuseum in München und wurde bald danach Regensburger Diözesankonservator, und damit auch Leiter des Regensburger Diözesanmuseums und der Domschatzkammer. Das bedeutete eine erhebliche Erweiterung der fachlichen Perspektive und viel Verantwortung. Er musste beide Institutionen neu strukturieren und z.T. neu einrichten. Daran hat er Tag und Nacht als fleißiger Kärrner gearbeitet. Es war für ihn geradezu selbstverständlich, dass er zu den Beständen seiner Museen auch sofort die Sammlungskataloge schrieb, und zwar jeweils auf dem höchsten wissenschaftlichen Niveau, methodisch umfassend, kritisch, mit einer Fülle neuer Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Goldschmiedekunst wie der Malerei wie der Volkskunst, die seine Kataloge zu Mustern ihrer Art machen.

Mit seinem Büro in unmittelbarer Nachbarschaft des Domes angesiedelt, trieb er die schon in der Dissertation angefangenen Forschungen zum Dom voran, vor allem zu seinen Skulpturen und Glasmalereien, fühlte sich aber auch für die Kirchen und ihre Kunstschätze in der gesamten Diözese Regensburg und weit darüber hinaus zuständig, d.h. er betätigte sich engagiert und leidenschaftlich als kirchlicher Denkmalpfleger, ohne dazu immer offiziell aufgefordert worden zu sein. Dabei war er z.T. sehr erfolgreich. Trotz dieses zeitraubenden Einsatzes vermochte er außerdem noch eine große Anzahl wichtiger Publikationen abzufassen, so z.B. über die Altarretabel der Regensburger Kirche St. Leonhard. Manche von ihnen kommen in sehr bescheidener Aufmachung daher, so etwa der kleine Kirchenführer von St. Josef in Weiden, in dem er schlüssig nachweist, was für eine nicht zu entschuldigende Zerstörung es wäre, wenn dieses Jugendstilensemble puristischem Hass auf die Ornamentfülle der Zeit bzw. der modernistischen Abneigung gegen alle Kunst aus dem 19. Jh. geopfert würde. Dies kann man als präventive Denkmalpflege bezeichnen.

Denn Achim Hubel ist wie die meisten Gotiker kein Nostalgiker, er flüchtet sich nicht aus der Gegenwart in eine verklärte Vergangenheit. Vielmehr hat er ein Herz für die moderne Kunst und für die Künstler von heute, deren Sorgen und Probleme er kennt. Doch verficht er dieselben Qualitätskriterien wie bei der alten Kunst und verweigert sich deshalb allen Modeströmungen und Parolen des zeitgenössischen Kunstbetriebs. Doch finden sich bei ihm zu Hause mehr zeitgenössische Kunstwerke als alte, und wer seinen Garten besucht, findet dort eine größere Anzahl von bronzenen Tierplastiken seines Freundes Rudolf Koller.

Dennoch: sein Herz gehörte und gehört der Denkmalpflege. Gerade die Einsicht, dass zur Erhaltung der Kunstdenkmäler mehr zu wissen und mehr zu tun notwendig ist, hat ihn veranlasst, den sicheren und fast schon bequemen Posten des Museumsdirektors aufzugeben, aber auch, seine Heimatstadt Regensburg und das gemeinsam mit seiner Schwester genutzte schöne Haus dort zu verlassen, um in Bamberg von Grund auf neu anzufangen. Doch fand er hier ein neues und bedeutsameres Betätigungsfeld, gleichsam eine höhere Ebene der Einwirkung. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass seine klaren Prinzipien und sein kompromissloses Engagement ihm in der Oberpfalz einige Gegner verschafft hatten, wie ja auch hier der Satz zutrifft, dass der Prophet im eigenen Vaterlande nichts gilt.

Es war gewiss für Achim Hubel kein leichter Schritt, dem Ruf auf die Professur für Denkmalpflege an der Universität Bamberg zu folgen, um hier obendrein ein bereits von anderen vorbereitetes Konzept eines Aufbaustudiums für Denkmalpflege zu realisieren. Allerdings hatte er schon zuvor als Lehrbeauftragter an der Universität Regensburg Gefallen an der Lehre gefunden.

Ich bin überzeugt, dass kaum jemand anders dies Aufbaustudium derart erfolgreich hätte verwirklichen können. Es konnte nur gelingen, weil Hubel unverdrossen das Unmögliche zu leisten versuchte, d.h. letztlich für zwei gearbeitet hat «Dafür bekommst Du dennoch keinen bayerischen Verdienstorden!!»: Denn die Personalausstattung wie die materiellen Grundlagen waren dürftig; die Unterstützung von außen verhalten abwartend, die Belastung durch überhöhte Zulassungszahlen eine Zumutung. Dass er die Durstrecken auf seinem langen Marsch durchstehen konnte, verdankt er allerdings auch der rückhaltlosen Unterstützung seiner Frau und seiner Familie, was hier wenigstens einmal laut gesagt werden soll.

Alle Hemmungen und Widerstände haben ihn jedoch nicht angefochten, einen Studiengang zu realisieren, der nicht wie der erste seiner Art in Bayern, derjenige an der TU in München, nur für diplomierte Architekten geplant war, obendrein noch eingeengt auf die Ausbildung im Entwurf, d.h. auf Neues Bauen im Alten Bestand, was man streng genommen überhaupt nicht als Denkmalpflege bezeichnen kann. Nach seinem Konzept sollte der Bamberger Studiengang Absolventen der Kunstgeschichte und verwandter Fächer sowie Absolventen der Fachhochschulen
dienen, eine Zusatzqualifikation zu erwerben, die sie befähigte, Bauwerke und ihr Umfeld angemessen zu analysieren, die zur Vorbereitung konservatorischer Maßnahmen notwendigen Untersuchungen zu veranlassen und die Befunde zumindest beurteilen zu können. Außerdem sollten sie u.a. Grundkenntnisse der Kunstgeschichte und der Theorie sowie Geschichte der Denkmalpflege erwerben.

Das Bamberger Aufbaustudium ist sehr schnell ein großer Erfolg geworden, weshalb es kontinuierlich personell verstärkt werden konnte und heute unangefochten dasteht. Das weit über den Freistaat Bayern reichende Ansehen erkennt man schon daran, dass es anderenorts zwar inzwischen mehrfach imitiert wurde, dass es dennoch das unübertroffene Original – und in Bamberg selbst – einer der am besten florierenden Studiengänge bleibt. Dies sehen auch ehemalige Skeptiker und Gegner dieses Projektes so. Darauf, lieber Achim, kannst Du Dir etwas einbilden.
Eine wesentliche Stärkung des Studienganges bildete dann das DFG- Forschungsprojekt zum Regensburger Dom, das zusammen mit Manfred Schuller, Renate Kroos und Peter Kurmann nun hoffentlich in den nächsten Jahren abgeschlossen wird, desgleichen die Einrichtung des DFG-Graduiertenkollegs, dessen Abschluss wir an diesem Wochenende feiern.

Es ist nicht genug zu bewundern, dass er daneben de facto eine kunsthistorische Professur ausgefüllt und dabei mehr Absolventen betreut hat, als mancher hauptamtlich angestellte Ordinarius; dass er außerdem eine große Zahl von Aufsätzen und Büchern zur Regensburger und Bamberger Kunstgeschichte, vor allem aber zur Denkmalpflege und ihrer Theorie abgefasst hat. Nicht übergangen werden darf sein uneigennütziges Engagement, liegengebliebene, unvollendete bzw. heikle Aufgaben anzupacken, so z.B. die Dehio-Bände für Regensburg und die Oberpfalz, sowie für Thüringen.

Damit nicht genug! Er hat immer die Überzeugung vertreten, dass Denkmalschützer sich einmischen müssen, auch wenn das manchen Leuten nicht schmeckt. Das hat die eigene Universität zu spüren bekommen, die sich in manchen unsinnigen Maßnahmen und Planungen aus den eigenen Reihen kritisiert sah und sich über die „Nestbeschmutzer“ ärgerte. Das hat das Landbauamt zu spüren bekommen, das sich an der Nichtberücksichtigung des Dienstweges und der Einmischung von außen störte. Erst recht hat er als Kritiker unsinniger Bamberger Verkehrsplanungen den Unwillen von seiten ökonomisch interessierter Kreise und von seiten derjenigen Politiker zu spüren bekommen, die sich darüber aufregten, dass jemand aus dem Wählervolk aufmuckte und Kritik übte.

Lieber Achim: Du hast oft genug merken müssen, dass sich jedermann in Fragen der Denkmalpflege ein Urteil zutraut, und dass man schnell Ziel von Aggressionen werden kann. Du hättest es Dir wahrlich leichter machen können! Doch hast Du Dich davon nie beirren lassen. Wie ein durch das Bewusstsein von seiner Mission und die Festigkeit seiner Überzeugungen starrköpfig gewordener Prophet des Alten Testamentes vertrittst Du das, was Du für richtig hältst, und zwar ohne Wenn und Aber. Das postmoderne ,anything goes‘ ist Dir zuwider. Du verachtest den lauen Kompromiss, der heutzutage fast überall als die richtige Lösung aller Probleme gilt. Du hältst dich vielmehr an das Bibelwort: „Ach wäret ihr kalt oder warm. Wer aber lau ist, den werde ich ausspeien.“ (Apc 3,15-16). Ich wünsche uns, dass Du weiter Deine Prinzipien- und Standfestigkeit bewahrst und in diesem Sinne weiterarbeitest.